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Vielfach fühlen sich die Betroffenen an der Kundenschnittstelle bei aggressiven Kunden hilflos bzw. ratlos. Intuitiv wird gespürt, dass „Gegendruck erzeugen“ oder „klein beigeben“ nicht wirklich zielführende Strategien sind. Gefühlt wird das Problem in Zeiten von Covid-19 noch relevanter, da viele der Beteiligten noch mehr unter Anspannung bzw. Ängsten stehen.
Von Dr. Karsten Engler
Jede Situation ist anders. Dennoch lassen sich aus Erfahrung bestimmte Erfolgsfaktoren für den konstruktiv-positiven Umgang herausstellen. Die fünf folgenden Hinweise (die sich auch als Ablauf einer Reaktion verstehen lassen) helfen im Umgang mit den oben beschriebenen Kunden.
1) Schaffen Sie Abstand
Jeder Mensch hat in seinem Leben unbewusst individuelle Konfliktverhaltensmechanismen erlernt, z.B. Neigung zur Vermeidung oder Nachgeben. Hinzu kommt eine Reihe „roter Knöpfe“. Die Folge ist in allen Fällen das Ablaufen von automatischen Routinen, die eine schnelle gedankliche oder körperliche Reaktion, aber nicht unbedingt ein zielführendes Handeln bewirken. Daher wichtig: unterbrechen Sie Ihre eigenen Automatismen, indem Sie gedanklichen Abstand schaffen.
Zur Umsetzung:
Bewusst 1x aus- und einatmen und sich dann vorstellen, mit Abstand von oben auf eine Bühne zu schauen, auf der sich gerade zwei Akteure – der aggressive Kunde und Sie selber – unterhalten.
2) Behandeln Sie Emotion und Anliegen aktiv
Wer in einem Wutausbruch einmal gebeten wurde „regen Sie sich nicht so auf“ hat wahrscheinlich gespürt, dass Emotionen „Appell-resistent“ sind. Der beste Ansatz ist die aktive Ansprache, und zwar durch Benennung der Emotion und des möglichen Grundes. Dadurch entsteht ein Gefühl des „Verstanden-werdens“. Dabei geht es gar nicht darum, das Gefühl bzw. Motiv immer richtig zu „treffen“, sondern lediglich um einen ehrlichen Versuch – verbunden mit einem Angebot, die Vermutung ggf. richtig zu stellen. Ihr Gegenüber wird das Angebot einer Richtigstellung bzw. Ergänzung gerne aufgreifen.
Zur Umsetzung:
Lassen Sie den Gegenüber so weit wie möglich aussprechen. Sagen Sie dann „Herr/Frau x, Sie haben Sorge, dass yyyyy, oder ?“ bzw. „Sie sind wütend/unsicher/xx, weil xxxx, oder?
3) Wiederholen Sie Verstandenes
Der aggressive Kunde hat stets ein konkretes Anliegen, das sein Verhalten bedingt. Da sich jeder Mensch anders ausdrückt, kann es im hektischen Alltag einer Praxis leicht zu Missverständnissen kommen. Daher wiederholen Sie in eigenen Worten, was Sie verstanden haben. Zusätzlicher Trick: Trick: Interpretieren Sie vermeintlich persönliche Angriffe als Wichtigkeit des Anliegens für den Kunden.
Zur Umsetzung:
Sagen Sie „Herr/Frau x, ich habe verstanden dass es Ihnen darum geht……/dass Ihnen ….besonders wichtig ist, richtig?“
4) Verwenden Sie ein „goldenes Nein“
Natürlich lässt sich nicht jeder Wunsch von Kunden erfüllen (keine Wartezeit, das Unternehmen übernimmt einen Teil der Kosten, etc.). Um das „nein“ wertschätzend zu vermitteln, sollten Sie das Wort „aber“ vermeiden (da es alles zuvor Gesagte wegwischt), die eigenen Belange bzw. die des eigenen Unternehmens positiv formuliert (also ohne „nicht“) ansprechen und – sofern möglich – ein konstruktives Angebot machen (idealerweise ein Angebot, das auch eine Eigenleistung des Kunden beinhaltet).
Zur Umsetzung:
„Ich habe verstanden, dass Ihnen xx ein zentrales Anliegen ist. Gleichzeitig ist unserer Praxis wichtig xxx. Ich kann Ihnen anbieten ……und Sie würden …..“
5) Reflektieren
Ein konstruktiver Umgang mit Aggression braucht Übung – konkret: Raum für Reflexion und Austausch zu konkreten Fällen, z.B. als Thema in den regelmäßigen Mitarbeiterbesprechungen – idealerweise ergänzt durch externe Impulse, Feedback und Anleitung. Das zusätzliche zeitliche oder finanzielle Invest zahlt sich aber durch weniger Stress im Team aus.
Zur Umsetzung:
Im Jour Fixe bringt jeder einen kritischen Fall ein und beschreibt sein Verhalten. Die anderen geben einen Punktwert von 1-10 und schreiben in max. 7 Worten auf eine Karte, was noch besser gemacht werden könnte.