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Teamentwicklung

Hat Ihr Team eine realistische Chance in der Zusammenarbeit?

Flexibilisierung von Teams und Arbeiten als agiles Netzwerk sind nur beispielhafte Stichworte für die rasant zunehmende Bedeutung erfolgreich arbeitender Teams. Die Zutaten für ideale Teams wurden dabei bereits durch eine Vielzahl von Ansätzen versucht zu identifizieren. Hier werfen wir einen Blick auf den Entstehungsprozess von Teams als „Schmelztiegel individueller Interessen“ und betrachten einen konkreten Ansatz zur Stärkung der inneren Ausgleichskräfte.

Von Dr. Karsten Engler

Die Weihnachtsfeiern liegen noch gar nicht lange zurück, da steht in vielen Unternehmen auch schon die Planung für weitere wichtige Events zur Stärkung der Unternehmenskultur, Stärkung von Teams oder Belohnung von Vertriebserfolgen an. Auch unter Projektleitern richtet sich der Blick bereits vielfach auf die Frage, wie im kommenden Jahr der Teamgeist gefördert oder die Kollegen „bei Laune gehalten“ werden können.
So wichtig diese Teamerfahrungen als gemeinsames Band oder als Belohnung für Vertriebserfolge auch sind – viele von uns spüren, dass sie alleine nicht zum Kern des Teamzusammenhalts vordringen. Dies wird spätestens dann sichtbar, wenn einzelne Teammitglieder dem Event fernbleiben, sich während der Veranstaltung eher distanziert verhalten, oder sich durch die Veranstaltung gar neue Gräben auftun.

Erreichung einer stabilen Teamleistung nur bei entsprechenden Voraussetzungen

Breit bekannt ist bei der Betrachtung der Teamentstehung das Modell des Durchlaufens einiger idealtypischer Teambildungsphasen – vom Zusammenkommen über eine Phase der intensiven inneren Auseinandersetzung mit anschließender Re-Adjustierung und schließlich Erreichung der Leistungsphase, die idealerweise einen stabilen Zustand darstellt. Die Praxis zeigt, dass diese Phasen auf unterschiedlichen Leistungsniveaus stattfinden können. Zur Erreichung eines Basisniveaus müssen erfahrungsgemäß die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
A. Gemeinsames Verständnis zu Zielen des Teams
B. Einigung zu Rollen und Strukturen als Rahmen der Teamarbeit
C. Kennen der Teammitglieder als Person
D. Grundkenntnis der Stärken und Schwächen der anderen Teammitglieder

Da in der Praxis im Fall von Reibung im Team nicht zweifelsfrei einschätzbar ist, ob sich das Team mitten in einer notwendigen Auseinandersetzung befindet, oder bereits auf dem Weg in den Abgrund ist, hilft ein prüfender Blick auf die o.g. Aspekte, um die Kritikalität des eigenen Status zu beurteilen und um in die Leistungsphase zu gelangen. So kann bei unzureichender Kommunikation der Ziele (A) oder der fehlenden Einigung zum Rahmen der Zusammenarbeit (B) das Basisniveau der effektiven Teamzusammenarbeit gar nicht erreicht werden.
In Unternehmen, deren Mitarbeiter wenig Erfahrung mit Teamarbeit besitzen, ist eine Änderung der Art der Zusammenarbeit (z.B. in Richtung des agilen Arbeitens) entsprechend anspruchsvoll: das gemeinsame Verständnis zur tatsächlichen Ausübung von Rollen und Strukturen (B) muss erst langsam geschaffen werden. Die Einführung agiler Arbeitsweisen ist im Einzelfall kritisch auf Wertbeitrag und Teamrisiko abzuwägen. Die oben zitierte Weihnachtsfeier wiederum hat einen nicht zu unterschätzenden Wertbeitrag im Sinne des gegenseitigen Kennenlernens (C, D).

Die Teamleistung auf ein höheres Niveau bringen

Interpretiert man die oben beschriebenen Teambildungsphasen als Prozess des zunehmend besseren Ausgleichs unterschiedlicher Interessen im Team, ergeben sich Ansatzpunkte zur weiteren Steigerung der Teamleistung. Diese zeichnen sich insbesondere durch den nachhaltigen Ausgleich der Interessen der Teammitglieder sowie des Unternehmens aus:
E. Abstimmung persönlicher und unternehmerischer Interessen
F. Kenntnis der Summe der Team-Verhaltensmuster bei inhaltlichen Auseinandersetzungen
G. Kontinuierlicher Ausgleich von Interessen in dynamischem Umfeld
H. Management von Konflikteskalationen aus dem Team heraus

Hauptherausforderung ist der systematische Ausgleich der Interessen. Grundsätzlich sind vier Ergebnisse denkbar: i) Realisierung vor allem der eigenen Interessen, ii) Realisierung vor allem der fremden Interessen, iii) Realisierung keinerlei Interessen durch Vermeidung der Auseinandersetzung und iv) Realisierung eines hohen Anteils beider Interessen. Im Idealfall wird eine für beide Seiten eine Lösung im Sinne von iv) erreicht.
Die Realität sieht jedoch anders aus: In vielen Fällen wird maximal ein Kompromiss als Teil-Fraktal der Option iv) erreicht, d.h. jeder Beteiligte bekommt nur einen (Bruch-)Teil seiner Interessen befriedigt. Dies bedeutet jedoch auch, dass im ungünstigsten Fall alle Beteiligten mittelfristig mit der Lösung unzufrieden sind. Für ein Team heisst dies, dass die Phase der intensiven inneren Auseinandersetzung latent nicht abgeschlossen ist und das Team nur scheinbar in das Fahrwasser der Leistungsphase gelangt ist. Damit wäre nicht einmal das Basisniveau der Teamzusammenarbeit erreicht.

Innere Ausgleichskraft des Teams ermitteln und stärken

Das Ausmaß der Realisierung eines hohen Anteils aller vertretenen Interessen wird maßgeblich durch die spezifische Interessenausgleichskraft jedes Teams als Summe der einzelnen Mitarbeiter determiniert. Jeder einzelne bringt auf Grundlage seiner persönlichen und beruflichen Sozialisation eine unterschiedliche Prägung zum Umgang mit inhaltlichen oder persönlichen Auseinandersetzungen mit. Besonders anschaulich ist dabei ein bereits 1974 durch Thomas/Kilmann entwickeltes Modell der persönlichen Neigung im Zusammenhang mit Konfliktlösung. Wesentlich sind drei Neigungen, die vom Weg zu einer beiderseitigen Interessenrealisierung (iv) ablenken können – insbesondere unter Stress, wo erlernten unbewussten Verhaltensmustern ein besonders hoher Stellenwert zukommt:
• Neigung zum Nachgeben
• Neigung zur Vermeidung einer Auseinandersetzung
• Neigung zum Durchsetzen der eigenen Interessen zu Lasten Anderer

Ermittelt man die entsprechenden Neigungen im Team – z.B. im Rahmen einer Teamformungsinitiative – lassen sich konkrete Maßnahmen gemeinsam entwickeln. Zunächst zeigt die Erfahrung, dass allein die Diskussion im Team ein wertvoller Selbsterkenntnisprozess ist. Dieser ist dann die Grundlage, um gezielt weitergehende Maßnahmen zur Erreichung des beschriebenen Basis- und dann Performance-Niveaus – und damit eines systematischen Interessenausgleichs – zu ergreifen. Unmittelbar kann das Team seine Teamregeln der Zusammenarbeit spezifisch erstellen oder anpassen. Häufig werden Gesprächsregeln ergänzt und Methoden zur gleichberechtigten Einbringung von Ideen (z.B. über Metaplantechniken) aufgestellt. Insbesondere im Fall eines für das Unternehmen erfolgskritischen Teams ist zudem eine Team-Mediation, in der gezielt Teamthemen aufgegriffen, mit Interessen hinterlegt und Teamlösungen entwickelt werden, ein lohnendes Invest. Dies gilt auch für Leuchtturm-Teams, von denen eine Signalwirkung ausgehen soll.
In Summe bleibt festzuhalten: Jedes Team nimmt einen Entwicklungsprozess – unabhängig von gezielter Unterstützung. Ein Scheitern der Teamzusammenarbeit ist dabei aber genauso ein mögliches Ergebnis wie ein Verbleib auf einem niedrigen Leistungsniveau. Aufgrund der sprunghaft steigenden Bedeutung flexibler, effizient arbeitender Teams in arbeitsteiligen Netzwerken ist ein genauerer Blick auf die vorhandenen Team-Ausgleichskräfte als Grundlage der gezielten Teamentwicklung häufig erfolgskritisch.