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Mediationsverfahren Mediationsarten & Mediationsmodelle

Außergerichtliche Streitbeilegung:
Mediation als „Tailor-made“-Verfahren?

Mit dem Ziel der Stärkung der außergerichtlichen Streitbeilegung in einem gesetzlich strukturierten Verfahren konkretisiert das Mediationsgesetz seit 2012 insbesondere den Begriff der Mediation sowie Rolle und Anforderungen an den Mediator. Die Praxis zeigt ein Spannungsfeld des Mediationsverfahrens: zwischen dem Mediationsverfahren als Element der Privatautonomie – also prinzipiell frei gestaltbares Konfliktlösungsinstrument – und der Mediation als gesetzlich geregeltes Verfahren. Dabei ergibt sich zwangsläufig die Frage: Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat das Mediationsverfahren? Ein kurzer Überblick zu Mediationsarten und Mediationsmodellen aus Sicht des Mediationsgesetzes.

Ein Beitrag von Dr. Karsten Engler, Gütestelle Hessen und Wirtschaftsmediator (EBS)

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Mediationsverfahren als Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung lassen sich unter Aspekten des Kontextes (1), des Mediators (2), des Prozesses (3), des Tooleinsatzes (4) und des Ergebnisses (5) betrachten. Daraus ergeben sich dann eine Vielzahl möglicher bzw. rechtlich vorgeschriebener Mediationsarten und Mediationsmodelle.

Der Kontext des Mediationsverfahrens als Anwendungsumfeld

Unter den Kontext (1) fallen dabei insbesondere das Einsatzfeld, die Qualifizierung als Mediation, die Freiwilligkeit und die Rolle der Mediation. Für die Wirtschaftsmediation ist das Einsatzfeld der ökonomische Bereich im weitesten Sinne. Das MediationsG macht hierzu kaum Vorgaben. Die einzige Einschränkung enthält die in §1 genannte Legaldefinition durch Bezug auf einen Konflikt. Legt man die 9 Streiteskalationsstufen von Glasl zu Grunde, gibt es zwar eine besondere Eignung der Mediation für die Phasen vier bis sechs,  dies schließt einen sinnvollen Einsatz in weniger eskalierten Situationen allerdings nicht aus. Die Qualifizierung einer Maßnahme als Mediation ist über die Legaldefinition explizit im Gesetz geregelt und dürfte in der Praxis durch die Beteiligten, insbesondere durch die Aufklärung seitens des Mediators im Sinne der Rechtssicherheit, bzw. durch die Anscheinsvermutung im Sinne der Legaldefinition erfolgen. Die Freiwilligkeit im Mediationsverfahren ist explizit in § 1 (1) MediationsG geregelt. Ob die Mediation in der Rolle als abschließendes Instrument oder als Baustein im Rahmen weiterer Streitschlichtungsverfahren eingesetzt wird, ist weder gesetzlich noch im Rahmen von Standards der deutschen Community festgelegt. In Summe ergibt sich damit für das Kriterium des Kontexts von Mediationsverfahren im Status Quo eine eher hohe Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten.

Mediator und Durchführungsform als „Katalysatoren“ des Mediationsverfahrens

Im Gegensatz dazu lassen Rolle, Eignungsvoraussetzungen und die Rahmenbedingungen der Tätigkeit des Mediators (2) eher wenig Spielraum für Flexibilität. Seine Rolle ist als Teil der Legaldefinition im MediationsG klar definiert: gekennzeichnet durch Neutralität bzw. Allparteilichkeit sowie fehlender Entscheidungsgewalt. Im MediationsG wird fachlich die methodische Aus- und Fortbildung klar konkretisiert, sowie ein „Zweiklassenmodell“ im Auftritt gegenüber Klienten eingeführt. Zur persönlichen Eignung gibt es keine Aussagen. Jedoch ist der Umgang mit Interessenkonflikten klar geregelt und die Verschwiegenheit als wichtige Rahmenbedingung explizit in § 4 MediationsG ausgeführt.

Bei Prozess (3) und Tooleinsatz (4) besteht aktuell eine große individuelle Gestaltungsmöglichkeit von Mediationsarten und Mediationsmodellen. Im Gesetz gibt es keinerlei Vorgaben. Eher kommen hier „ungeschriebene Standards“ der Community in Deutschland zum Tragen. Während der Prozess durch eine etablierte 5-Schrittigkeit eine gewisse Standardisierung erfahren hat, gibt es beim Tooleinsatz eher eine abgrenzende Haltung, die „spielerische“ Elemente in Deutschland eher ausgrenzt. Davon abgesehen ist allerdings die Ausgestaltung von Tools dem einzelnen Mediator überlassen.

Keine Ergebnisgarantie im Mediationsverfahren

In Hinblick auf das Ergebnis (5) bestehen gesetzlich wieder mehr Vorgaben für Mediationsverfahren. Dies betrifft insbesondere die Entscheidungshoheit, die ausschließlich bei den Streitparteien liegt, sowie die Frage der Verwertbarkeit des Ergebnisses, die im Sinne einer Vollstreckbarkeit nur gegeben ist, sofern eine Beurkundung stattfindet. Der Ergebnisverantwortung der Parteien und dem Kreativelement der Lösungsphase inhärent ist, dass grundsätzlich keine Lösung garantiert werden kann und nicht ex-ante vorhersetzbar ist, wie eine etwaige Lösung aussehen wird.  Gleichwohl bestünde im Rahmen der Privatautonomie insbesondere bei den beiden letztgenannten Aspekten grundsätzlich die Freiheit, ergänzende Regelungen zu treffen.

Asymmetrische Freiheitsgrade bei Gestaltung des Mediationsverfahrens

In Summe ergibt sich das in der untenstehenden Abbildung dargestellte qualitative Profil für den Status Quo des Mediationsverfahrens. Es ist Grundlage unterschiedlicher Mediationsarten und Mediationsmodelle. Im Status-Quo ist die Mediation also aktuell eher flexibel in der Durchführung (Prozess, Tools), aber starrer im Einsatz (Mediator und Ergebnis).

 

Das Mediationsverfahren wird dem, was den Konfliktparteien wichtig ist, dabei bislang nur z.T. gerecht. Dies ist vor allem darin begründet, dass das MediationsG entstehungshistorisch vor allem das Ziel verfolgt, ein strukturiertes, gesetzlich geregeltes alternatives Verfahren zum Gerichtsverfahren (außergerichtliche Streitbeilegung) zu schaffen. Dies sind in der Wirtschaftsmediation in erster Linie solche Streittatbestände, denen vertragliche Ansprüche zu Grunde liegen, also vertragliche Leistungsstörungen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Mediationsarten und Mediationsmodelle decken dabei nur einen Teil des Bedarfs – insbesondere hinsichtlich Ergebnissicherheit und Flexibilität im Einsatz ab.

Frankfurt, 04/2021

 

Stichworte:

Mediationsverfahren, außergerichtliche Streitbeilegung,  Mediationsarten und Mediationsmodelle, Formen der alternativen Konfliktbeilegung