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Gute Vorsätze umsetzen

Dieses Jahr machen wir wirklich ernst?

Die meisten Menschen wollen sich weiterentwickeln. Der Jahreswechsel gibt häufig Anlass, Vorsätze zur Änderung bestimmter Verhaltensweisen zu formulieren. Gesundheit, Familie und finanzielle Angelegenheiten stehen meist ganz vorne. Und dennoch: nur wenige Vorsätze überleben die ersten 8 Wochen. Warum ist das so – und wie lässt es sich ändern? Eine Diagnose und Anleitung.

Von Dr. Karsten Engler

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Es ist wieder soweit: die Zeit, der (guten) Vorsätze bricht an (siehe Abbildung 1). Auch wenn aktuellen Befragungen zufolge, nur noch weniger als die Hälfte der (erwachsenen) Bundesbürger sich ausdrücklich Vorsätze für das neue Jahr vornehmen, so dürften es doch wieder deutlich mehr als 10 Millionen individuelle Vorhaben für das Jahr 2023 werden. – Und auch dieses Mal werden sicherlich 2/3 der Vorsätze mit der klaren Entschlossenheit getroffen, dass diesmal alles anders wird, also tatsächlich die eigenen Vorhaben in die Tat umgesetzt werden.

Warum nun werden wieder 5 von 10 Vorsätzen bereits im Januar und weitere 3 im Februar scheitern? Und warum werden 100 % derjenigen, die sich Vorsätze machen, genau dies zum aktuellen Zeitpunkt heftig bestreiten?

Wir sind größtenteils immer noch Abbild unserer Ahnen

Die Antwort liegt darin, wie wir als Menschen seit Jahrtausenden unser Überleben gesichert haben: da schnelle Reaktion (was raschelt da im Gebüsch?) und sparsamer Umgang mit Energie (wer weiß, wann es das nächste Mal etwas zu essen gibt?) Erfolgsfaktoren des Überlebens waren, stellen Reflexe und automatische Verhaltensweisen die zentralen Steuerungsgrößen unseres Verhaltens dar. Unser Gehirn, so einzigartig es ist, benötigt bei aktiven Denkprozessen halt immense Energiemengen (ca. 2 % des Körpergewichts, ca. 20 % des Energiebedarfs unseres Körpers).

Seit der Aufklärung steht der vernunftbegabte Mensch im Vordergrund der Sicht auf uns selbst. Dies ist sicherlich ein ganz wichtige Entwicklung und eine Besonderheit des Menschen: er kann über sich selbst reflektieren, sich nicht vorhandene Dinge vorstellen und seine Umwelt (positiv und negativ) gestalten.

Aber: er ist im Kern noch immer der Mensch, der er vor tausenden von Jahren war. In diesem Sinne wird unser Verhalten immer noch größtenteils durch unser Unterbewusstes gesteuert. Spätestens nach dem Bestseller „Schnelles denken, langsames denken“ des Verhaltens¬ökonomen Daniel Kahneman, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissen-schaften im Jahr 2002, ist dies auch breiter in unser Bewusstsein gelangt.

Es lohnt sich, noch auf einen zweiten Aspekt zu schauen: betrachtet man das Zusammenspiel von rationalem Denken  (primär Großhirnrinde) und Unterbewusstsein (Limbisches System) in unserem Gehirn, so zeigt die Neurowissenschaft, dass es wenig „Kommunikations-“ Verbindungen vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein gibt, aber sehr starke Steuerungslinien vom Unterbewusstsein ins Bewusstsein. Dies hat drastische Konsequenzen: es ist nahezu unmöglich, über das Bewusstsein, also Sprache oder gesteuerte Gedanken, das Unterbewusstsein zu beeinflussen – jedoch andersherum sitzt das Unterbewusstsein „am Hebel“.

Jeder kennt die Situation: obwohl uns völlig klar ist, dass es irrational ist, vor einer bestimmten Situation wie Zahnarzttermin, Termin mit dem Vorgesetzten oder Kaffeetrinken bei der Schwiegermutter Angst zu haben, haben wir es trotzdem. Oder hat es geholfen, sich in der (Fahr-)Schule vorzunehmen, vor einer Prüfung keine Angst zu haben?

Kraftanstrengung ist nicht nachhaltig

Was tun? Natürlich kann man versuchen, über immense Kraft¬anstren¬gungen gewisse Vorsätze zu realisieren. Erfahrungsgemäß ist die Kraft aber erschöpfbar (bei Vorsätzen halt oftmals innerhalb der ersten 2 Monate, siehe Abb. 2). Und ehrlich gesagt würden wir ja auch nicht ausschließlich im ersten Gang mit dem Auto in den Urlaub fahren. – Wir müssten vermutlich eine Tankstelle mitführen.

Alternativ setzt man dort an, wo die tatsächliche Steuerung stattfindet: im Unterbewusstsein. Abgesehen von Kernreflexen aus unserer genetischen Menschheits­geschichte wird der Großteil unserer wichtigsten Verhaltensprägungen durch Lernprozesse (also Erfah­rungen, verbunden mit Emotionen und intensiver Wahrnehmung über alle Sinneskanäle), in den ersten sechs Jahren unseres Lebens gelegt. Etwas pointiert formuliert: als Erwachsene laufen wir mit über 3/4 Prägungen durch unseren Alltag, die auf Basis der Bewältigung von Situationen mit Fähigkeiten eines/r maximal Sechsjährigen entstanden sind. Klar, dass das nur in wenigen Fällen für heute 100% passende Verhaltens-weisen hervorbringt – man denke an das Weglaufen vor Problemen.

Wirksame Veränderung bedeutet nun ganz konkret, über fokussierte Lernprozesse mit den gleichen der oben genannten Merkmalen neue Erfahrungen und vor allem Emotionen zur Verfügung zu stellen, die für aktuelle Anforderungen hilfreich und angemessen sind. Das Gute ist: über gezielte Techniken (und dabei geht es explizit NICHT um Tiefenpsychologie!) lässt sich dies mit verhältnismäßig überschaubarem Zeitaufwand tun.

Die Alternative: Fokussiertes Lernen

Ein Beispiel: jemand, der darunter leidet, fällige Dinge stets bis zu dem letzten möglichen Zeitpunkt zu verschieben, möchte diese Verhaltensweise ablegen. Natürlich ist ihm vom Kopf her völlig klar, dass er einfach früher anfangen muss, Dinge zu erledigen. Dennoch wird es ihm in der Regel nicht gelingen oder nur mit immenser Kraftanstrengung und allen möglichen Tricks, die häufig aber spätestens dann versagen, wenn er spontan mit etwas konfrontiert wird. Hier bedeutet ein erneuter Lernprozess, die verantwortliche Prägung zu finden und zu lockern, indem eine neue positive Erfahrung mit allen entsprechend positiven Emotionen verankert wird. Gleiches gilt für gewünschte Verhaltensänderung z.B. in Bezug auf Umgang mit Hierarchie, eigene Selbstüberforderung, Startschwierigkeiten bei Aufnahme einer sportlichen Aktivität, Reduzierung von Süßigkeiten-Konsum, Gewichtsreduzierung, schlechten Gefühlen ggü. einer Person, usw.

Die gute Nachricht ist: nahezu jede Verhaltensänderung ist möglich. – Aber nicht über primär rationales Wollen oder Verstehen, sondern über „emotionales Können“. Der erste Schritt ist, zu akzeptieren, dass wir als vernunftbegabte Menschen eben im Alltäglichen trotz allem nicht primär über Nachdenken, sondern Automatismen agieren. Die zusätzliche Festlegung von Zwischenzielen mit emotional verankerten konkreten Stufen hilft Erfolge zu erzielen. Dann können gute Vorsätze endlich das sein, was sie sein sollen: ein weiterer Meilenstein der kontinuierlichen, positiven eigenen Weiterentwicklung.

Wie Sie die „Überlebenschancen“ Ihrer Vorsätze erhöhen

Schritt 1: Konkret machen

Wahrscheinlich ist Schritt eins nichts völlig Neues für Sie: Definieren Sie für sich sehr konkret, zu welchem Zeitpunkt sie was genau erreicht haben wollen. Ein Beispiel: statt „Ich möchte dieses Jahr mehr Sport machen“ setzten Sie sich das Ziel “Ich möchte am 31. Juni den Erfolg haben, dass ich bis dahin jede Woche einmal für 45 Minuten im Fitnessstudio war“. Schon hier wichtig: realistisch bleiben.

Schritt 2: Auswirkungen prüfen

Was viele von uns auslassen: Schauen Sie sich an, was ihr Ziel bedeutet, für ihr Umfeld und im Hinblick auf Sie selbst. Nur so können Sie damit auch (später) umgehen. Was wird sich positiv verändern, was sind die vielleicht negativen Auswirkungen? Und was bleibt gleich, wird dadurch also nicht beeinflusst?

Im Beispiel: bei einmal in der Woche Sport, werde ich mich fitter fühlen, aber vielleicht auch weniger Zeit haben, meine Lieblingsserie auf Netflix zu schauen. Gleichzeitig werde ich wahrscheinlich immer noch nicht den Halbmarathon im Büro mitlaufen können. Mein(e) Partner(in) wird wahrscheinlich wenig begeistert sein, dass ich noch 1,5h mehr pro Woche nicht da bin (wie vereinbare ich das mit ihm/r?), aber vermutlich freut sich die Kollegin, die im gleichen Fitness-Studie trainiert.

Schritt 3: „Sinnlich“ fassen

Dieser Schritt mag zunächst am ungewohntesten klingen. Es geht aber nicht um Esoterik, sondern darum einen „Kommunikationsweg“ zu wählen, den Ihr Unterbewusstsein „versteht“. Stellen Sie sich Ihr Ziel bildlich vor und versetzen Sie sich mit allen Sinnen in die Ziel-Situation hinein. Dies hat den Vorteil, dass das Ziel deutlich präsenter und auch im Unterbewusstsein positiv verankert wird. Aktivieren Sie in der Wahrnehmung alle Sinne, zum Beispiel: „Am 31. Juni möchte ich an meinem Schreibtisch sitzen und im Kalender 26-mal einen Haken hinter 26 Wochen gemacht haben.“ – Was sehen, hören, spüren, riechen und vielleicht schmecken Sie in diesem Augenblick? Wie fühlt sich das an?

*****

Die Herausforderung einschätzen: 2 Indikatoren

Wenn Sie Schritt drei des obigen Vorgehens sorgfältig tun, gibt er Ihnen noch eine zusätzliche Auskunft:  darüber, wie zuversichtlich ihr Unterbewusstsein hinsichtlich der Realisierung Ihres Ziels ist. Das Bauchgefühl wird Ihnen sagen, ob sie selber daran glauben. Ein Bauch-Grummeln an dieser Stelle (erfahrungsgemäß in fast 50 % aller Fälle), zeigt, dass es unbewussten Widerstand oder Unglauben gibt, der Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit den Erfolg sehr schwer oder gar unmöglich machen wird. Hier setzt ein neulinguistisches Coaching an, um im Hintergrund agierende, negative Mechanismen zu lockern.

Das zu erwartende Ausmaß der Herausforderung können Sie auch noch auf eine andere Weise einschätzen: stellen Sie sich eine zukünftige Situation vor, in der oder aus der heraus sie die neue Verhaltensweise umsetzen möchten, zum Beispiel nachmittags um 17.00 Uhr nach dem nach-Hause-Kommen. Versetzen Sie sich mit allen Sinnen in diese Ausgangssituation und denken Sie an die neue Verhal¬tens¬weise (z.B. Aufbrechen zum Sport). Bestimmen Sie intuitiv im Raum, wie weit entfernt Ihr Bauchgefühl (Unterbewusstsein) die neue Verhaltensweise sieht (direkt vor Ihnen oder 6 Meter entfernt) und mit welchem Gefühl Sie zu diesem Ort hingehen können (mit Leichtigkeit oder nur gegen gefühlten Widerstand?). Je weiter die neue Verhaltensweise von der räumlichen Ausgangsposition entfernt ist und je stärker das Bauch-Grummeln, desto größer ist die unbewusste Herausforderung. Gegebenenfalls braucht es daher hilfreiche, emotional positiv verankerte Zwischenschritte.

Schlüsselbegriffe:
Vorsätze, Veränderung, Coaching, Verhaltensweisen, Prägungen, Jahreswechsel, NLP, Ziele

Keywords:
Change Management

 

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